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Tagebuch / Blog

Mittwoch, den 07 Januar 2009


Der Winter hat uns fest im Griff und ich habe heute morgen versucht mit dem Zug ins Piranha Bytes Studio nach Essen zu kommen- bislang ohne Erfolg...
Über das World of Risen Forum erreichte mich gestern eine private Nachricht von einem sehr netten Jungen Mann, der einige Fragen zum Beruf des Illustrators stellte.
Das ist eigentlich etwas, das auch hier reinpasst- also habe ich, mit seiner Erlaubnis, die Fragen und meine Antworten einfach mal einkopiert:


...

Hallo, Ralf.
Ich habe im Forum nach einem beruflichen Illustrator gesucht,
und man hat mir gesagt, dass du da eventuell ein Ansprechpartner wärst.
...edit...
Also ersteinmal ganz allgemein:

1) Was macht so ein Illustrator eigentlich genau?

2) Was für Anforderungen sollte man mitbringen, um beruflicher Illustrator zu werden?

3) Wie sehen die Aufträge aus, die man heutzutage als Illustrator bearbeitet? (Bücher, Spiele,..?)

3) Wie kommst du an Aufträge, und wie gehst du einen Auftrag an?

4) Mir wurde gesagt, das Berufsbild Illustrator sei "am Aussterben". Siehst du das ähnlich? Wie kann man sich diese Entwicklung vielleicht erklären? (Gibt es Unterschiede zu damals und Heute?)

5) Und zu guter Letzt: Möchtest du noch etwas über deinen Beruf sagen?
...edit...

Und hier meine Antworten:

1) Je nachdem, wie vielseitig Du einsetzbar bist, kannst Du Deine Chancen erhöhen, von Deinen Zeichnungen oder Illus zu leben.
Ich selbst mache oft Entwürfe für Werbekampagnen in Form klassischer Marker-Zeichnungen, die ich dann, weil es schneller geht, heute fast nur noch am Computer mit Farbe und Grautönen weiterbearbeite.
Für Games sind die Entwürfe eher Bleistiftbasiert- und werden dann gescannt und meist in Photoshop übermalt, oder ich mache Montagen mit Foto und gemalten Elementen.
Bei Storyboards hilft es ebenfalls sehr schnell zu sein, da hier ein Grossteil der Zeichnungen oft verworfen wird.
Und bei Characterdesign bediene ich mich schlichtweg aller Mal und zeichentechniken, die ich kenne. Was immer funktioniert um eine Idee rüber zu bringen- das wird dann genommen.
Du musst in der Regel gut auf die Wünsche der Kunden eingehen können- denn sie wollen in 90% er Fälle IHRE Ideen visualisiert sehen- und nicht Deine.
Und Natürlich wissen, was Deine Arbeit wert ist und wie man im Plauederton den Preis aushandelt. Aber das lernt man leider nicht an der Uni sondern nur durch Trial and Error.


2)
Du solltest, sofern Du nicht angestellt bist (2/3 aller Grafiker, die ich kenne sind gezwungen als Freiberufler zu arbeiten- oft auch in anstellungsähnlichen verhältnissen) autonom arbeiten können. D.h. einen leistungsfähigen PC mit Zeichenbrett, Scanner, Drucker und allen nötigen Programmen besitzen und diese auch rekordverdächtig schnell bedienen können.
Mein Tip für´s Überleben ist, sich nicht auf einen Stil oder eine Designrichtung festzulegen. Gerade hier in Deutschland ist und die Tradition der kommerziellen Illustration ab 1933 abhanden gekommen und gute Jobs sind selten.
Es lohnt sich auch, darüber nachzudenken, sich von einer Agentur vertreten zu lassen und sich Organisationen und verbänden für Grafiker anzuschließen. Nicht wenige Kontakte, die zu Jobs führen können ergeben sich dadurch noch am ehesten wenn man von daheim aus arbeitet.


3)
Die meisten meiner Aufträge kommen durch Beziehungen und Kontakte über Kollegen und Geschäftspartner zustande. Neu- Aquisitionen mache ich manchmal auch- aber das ist oft sehr zeitraubend und mühsam und nicht immer mit Erfolg gekrönt. Gute Beziehungen sind überlebensnotwendig, und je mehr Leute Dich mögen und gerne mit Dir zusammenarbeiten, umso besser bekommst Du die Miete zusammen.
Diese Seite hier ist mittlerweile auch eine recht gute Referenz für mich geworden.
Allerdings habe ich die letzten 2 Jahre fast ausschließlich an Projekten gearbeitet, die ich bislang hier noch nicht einstellen kann, weil sie entweder noch nicht angekündigt oder veröffentlicht worden sind.

4)
Wie oben schon erwähnt, ist es in Deutschland schwieriger als in anderen Ländern. Frankreich und fast der komplette Englische Sprachraum hat ein anderes Verhältnis zur Illustration. Aber einschüchtern lassen darf man sich dadurch nicht.
Meist reicht es, einen ersten Job zu bekommen und sich dann weiter voran zu arbeiten und Kontakte zu pflegen.
Wenn Du allerdings am liebsten Monster on Muskelmänner zeichnest und vor 12 Uhr Mittags nur schwer aus dem bett kommst, wirst Du gezwungen sein, einen Nebenjob zu unterhalten um über die Runden zu kommen.
Ich möchte Dich aber auch noch auf den Archivbereich hier auf der Seite verweisen. Ich habe mit befreundeten Grafikern und Künstlern Interviews geführt, die ihre Arbeit im Alltag etwas ausleuchten und werde auch bald wieder neue einstellen.

5)
Ich mag meinen Job.
Jedoch ist er nur selten völlig frei von Limitierungen.
Meine Freundin muss sich zwar manchmal mein Gejammer anhören, wenn Kunden mich monatelang auf das Geld warten lassen, 3 Jobs auf einmal reinkommen und man keinen absagen kann, oder schlichtweg den mitlaufenden Papierkram wie Steuer und Buchhaltung einfach nicht mehr ertragen möchte.
Aber das geht dann auch wieder vorüber.
Wichtig ist, sich seinen eigenen Freiraum zu schaffen- damit man auch die eigenen Ideen manchmal verfolgen kann.
Aber das geht oft nur bei privaten Projekten.

 

Kommentare

gepostet um 21:34 Uhr Mittwoch, den 07 Januar 2009
gepostet von Dawhîr

Das hört sich fast schon so an, als ob die Nazis den Job Illustrator verboten hätten. Weißt du mehr dadrüber?

Welche Berufgruppen können wir bei den nächsten Interviews noch erwarten?

 

gepostet um 11:33 Uhr Donnerstag, den 08 Januar 2009
gepostet von ralf

Nee- aber zum einen haben viele talentierte kommerzielle Illustratoren und Künstler das Land nach 1933 verlassen, was ein Loch hinterlassen hat, das ich noch zu meiner Studienzeit spüren konnte.
Zum anderen glaube ich, dass der Umgang mit Bildern, den wir unter den Nazis hatten, dazu geführt hat, dass wir als Gesellschaft auch heute noch das Bild gefährlicher einschätzen als das Wort. Aber das ist vermutlich nur ein oberflächlicher Gedanke...
Realistische Illustration wird von vielen heute schnell als Kitsch empfunden, auch wenn sich die Definition, was denn nun genau Kitsch ist, in einem sehr schwammigen Bereich bewegt. Schade...
Zu den Interviews: Ich habe ein paar Illustratoren Fragen zugeschickt und auch einem Regisseur, den ich kenne.
Hinzu kommen noch 2 Gamedesigner und ein Artdirector...
Aber ich kann leider niemandem den Arm verdrehen um an die Antworten zu kommen...

 

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